Rørvik, 23.03.2002 um 20.42 Uhr vorheriger Tag nächster Tag
an Bord der MS Midnatsol
 

Hei Leute,
an das was heute passierte, habe ich nur in meinen kühnsten Träumen gedacht ! Eine Fahrt entlang
einer sonnendurchfluteten Helgelandsküste, von Ørnes bis Leka. Jetzt bin ich voll aus dem Schneider ! Denn an einem Tag konnte ich mein größtes Norwegenproblem lösen. Denn die Sache war so, dass ich das Kapitel über die Helgelandsküste bereits im Jahr 2000 ausgearbeitet und geschrieben hatte, aber mir bis heute die Fotos dazu fehlten. Denn bei meinen bisherigen Touren hier hatte ich bis auf wenige Ausnahmen nur Mistwetter hier. Es war heute also meine aller letzte Chance dazu und es hat geklappt. Der Hestmannen saß perfekt im Sattel. Ich habe zum ersten Mal gesehen, wie schön die Insel Louvund aussieht, wenn sie nicht in den Wolken steckt. Auch des Rendezvous mit den Sieben Schwestern hat geklappt. Sie versteckten sich diesmal nicht vor mir in den grauen Wolken. Nein, es kam mir sogar so vor, als lächelten sie beim Fotografieren. Brønnøysund präsentierte sich vom feinsten und der Torghatten lag versteinert in der Abendsonne. Kurz vor Leka versank dann die Sonne im Nordmeer und die blaue Stunde verzauberte die Küste und Berge von Austra in einem phantastischen Licht. 
Der Tag war wieder klasse!

Die Hoffnung auf das schöne Wetter an der Küste verfolgte mich bis in den Schlaf und löste eine Phobie bei mir aus. In Alpträumen zogen mitten auf der Strecke wieder tief hängende Schneewolken auf und als ich heute Morgen über den Bergen der Küste etwas Schwarzes sah, dachte ich, 'So, das war's ! Jetzt kommt doch schlechtes Wetter !' Aber bei genauerer Betrachtung entpuppte sich das schwarze Etwas im Gegenlicht als der Svartisen. Er macht seinen Namen - schwarzes Eis - alle Ehre und ich konnte mir nun vorstellen wie die Menschen, die bei der Namensgebung sicher nur an der Küste wohnten, darauf gekommen sind.
Im letzten Bericht schrieb ich ja noch, dass ich mich jetzt mal erholen würde. Das dies natürlich nicht ganz so ist, liegt an der Landschaft hier. So stellte ich gestern den Wecker auf 07.00 Uhr. Denn da wurde Ørnes angelaufen. Da die Hafeneinfahrt als die Schönste auf der ganzen Tour beschrieben wird, wollte ich mich davon überzeugen und einige Fotos machen. Aber es war wohl eher wieder die Geschmackssache eines Journalisten. Die schönsten Häfen der Tour bleiben für mich doch noch Brønnøysund, Rørvik und Vardø. Nach Ørnes warteten dann einige Highlights, wie die Überquerung des Polarcircel oder der Hestmannen auf mich. Mal einige Worte zur MS Midnatso l. Eigentlich habe ich ja eine Abneigung gegenüber den Hurtigrutenschiffen der mittleren Generation. Denn entweder man Fährt mit einem alten Schiff, im klassischen Stil (solange es noch geht !) Oder man benutzt die Bequemlichkeit der neuen Schiffe. Bei
mir ließ es sich mit dem Zeitplan nicht anders einrichten. Aber so denken sicher auch die ganzen Touris, die dann die Hurtigrute als Kreuzfahrtschiffe benutzen. Daher war das Schiff relativ leer und es fuhren überwiegend Norweger mit, bei denen die Linie als Nahverkehrsmittel genutzt wird. So wechselten in den Häfen oft die Reisenden und man bekam immer wieder neue Gesichter zu sehen. Das schöne dabei ist aber, dass ich das Gefühl habe, weiter mit einem öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs zu sein und nicht mit irgendeinen Touristenbomber.
In Nesna kam dann auch König Harald an Bord. Natürlich inkognito ! Oder war es doch nur sein
Doppelgänger ? Nein, mal im Ernst. Die Ähnlichkeit dieses Herren mit seinem König war einfach
verblüffend. Die selbe Nase, die selben Augen, die selbe Stirn, selbst die ausgeprägten Wangen
waren identisch. Ich könnte wetten, das er oft auf der Straße deshalb angesprochen wird. Aber er muß
in Brønnøysund das Schiff verlassen haben. Ich sah ihn seit dem nicht mehr. Er hat hier bestimmt
eine Audienz. Im Moment schließen gerade die Ladeluken und das Schiff wird jeden Moment ablegen. Daher werde ich auch meinen heutigen Bericht beenden und noch ein wenig an meiner Gallone Mack-øl nuckeln.
 

Zu den Bildern:  Kennt Ihr eigentlich die Sage vom Helgeland? Keine Angst, ich will Euch nicht mit norwegischen Sagas langweilen. Ich will euch nur mal die Beteiligten der Helgelandssage vorstellen. Beginnen wir im Norden:
 
Bild1: "Der Vågakallen" - Trollkönig der Lofoten und Vater vom Hestmannen 
 
Bild2: "Die Alte von Landgode" - bei ihr sollten sich die ungezogenen sieben Töchter des
Trollkönigs von Sulis bessern. Nutzte aber nichts ! Stattdessen lösten sie das Drama aus.
 
Bild3: "Der Hestmannen" - angeregt vom Anblick der nackten Mädchen am Strand von Landegode, kam
er hoch zu Roß über dem Vestfjorden galoppiert und wollte die hübsche Lekamøya fangen.
  
Bild 4: "Die Sieben Schwestern" - ausweglos warfen sie sich bei der Flucht vorm Hestmannen, auf
der Insel Alsta, zu Boden.
 
Bild 5: "Der Torghatten" - da der Hestmannen Lekamøya nich fangen konnte, beschloss er sie mit
Pfeil und Bogen zu erschießen. Doch der Trollkönig vom Sømnafjell warf seinen Hut in die Flugbahn
des Pfeils, der daraufhin durchbohrt zu Boden sank.
 
Bild 6: "Lekamøya" - leider etwas weit weg von mir steht sie mit ihrem roten Gewand im Abendlicht.
Sie hat ihr Leben dem Trollkönig vom Sømnafjell zu verdanken.
 
Nutzte aber alles nichts ! Denn bei dem wilden Drama übersahen alle beteiligten Trolle den Sonnenaufgang und wurden zu Stein. So stehen sie nun seit vielen, vielen Jahren an der Küste vom Helgeland und deren Umgebung. Einer fehlt noch... Der Vater der sieben Töchter. Er wurde von vielen Generationen von Berg- leuten aus Sulitjelma durchwühlt und steht an der schwedischen Grenze.
 
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André